Aus dem Schacharchiv von Chess-Results.com: Artikel: 5060 vom 08.02.2008, Kategorie Kolumne

Aronian und Carlsen teilen den Sieg in Wijk aan Zee

Beim Corus Großmeisterturnier in Wijk aan Zee, heuer vom 11. bis 27. Jänner, landeten zwei Spieler auf dem Siegerpodest: Levon Aronian (Armenien) und Magnus Carlsen (Norwegen). Während der Armenier als Vorjahressieger zu den Favoriten zählte, galt der 17-jährige Norweger als Geheimtipp. In der Schlussphase bewies er Kampfgeist und Können. Gegen Van Wely war ihm Fortuna hold, gegen den Weltmeister Anand attackierte er ohne Rücksicht auf Verluste, musste aber vor den Verteidigungskünsten des Inders resignieren. Eine Runde später, unbeeindruckt vom Verlust am Vortag, belehrte er Ex-Weltmeister Kramnik in Punkto Strategie. Ein grandioser Erfolg (unsere heutige Partie) für den jungen Magnus Carlsen!

Das Siegerquartett nach 13 Runden: 1-2.Aronian, Carlsen mit je 8 Punkten. 3-4.Radjabov, Anand mit je 7,5.

Kramnik (2799) - Carlsen (2733)

1.Sf3 Sf6 2.c4 e6 3.Sc3 c5 4.g3 b6 5.Lg2 Lb7 6.0-0 Le7 7.d4 cxd4 8.Dxd4 d6 9.Td1 a6 Der typische Igel-Aufbau von Schwarz.

10.Sg5 Die einstige Modevariante mit 10.b3 endet oft mit Remis.

10...Lxg2 11.Kxg2 Sc6 12.Df4 0-0 13.Sce4 Se8 14.b3 Ta7 15.Lb2 Td7 16.Tac1 Sc7 Neuer Zug. Es droht f7-f5, wonach der g5-Springer hängt.

17.Sf3 f5

Diagramm

Carlsen übernimmt die Initiative am Königsflügel.

18.Sc3 g5 Konsequent.

19.Dd2 g4 20.Se1 Auf 20.Sd4 könnte 20...Lg5 21.e3 Se5 22.Kg1 Da8 folgen, ähnlich wie in der Partie.

20...Lg5 21.e3 Tff7 Überdeckt den d7-Turm. Auf 21...Se5 wäre 22.Sa4 unangenehm.

22.Kg1 Se8 23.Se2 Sf6 24.Sf4 De8 25.Dc3 Tg7 Neutralisiert ziemlich untypisch die a1-h8 Diagonale

26.b4 Se4 27.Db3 Tge7 28.Da4 Kramnik ist nachlässig. 28.Sed3 hätte besser zu seinem Stil gepasst - vermeidet Sc6-e5.

28...Se5! 29.Dxa6 Vielleicht wollte Kramnik hier 29.Lxe5 dxe5 und 30.Sfd3 spielen, sah aber dann 30...Sxf2 31.Sxf2 Lxe3, was ihm offensichtlich nicht gefiel.

29...Ta7 30.Db5 Die weiße Dame wäre nach 30.Dxb6? Teb7 31.Dd4 Lf6 in Bedrängnis.

30...Dxb5 31.cxb5 Txa2 32.Tc8+ Nach 32.Lxe5 dxe5 33.Sfd3 Td7 34.Tc6 Kg7 wären die schwarzen Bauern tabu: 35.Txb6? (35.Txe6? Sc3) 35...Sc3.

32...Kf7 33.Sfd3 33.Lxe5 dxe5 34.Sfd3 Lf6 35.Tc6 Tea7 wäre schwierig für Weiß, aber noch spielbar.

33...Lf6 34.Sxe5+ dxe5 35.Tc2 Tea7 36.Kg2?! Die letzte praktische Chance war 36.f3 gxf3 37.Sxf3 und nach 37...Sg5 38.Sxg5+ Lxg5 39.Kf2 T7a4 40.Tdc1 Txb4 41.Lxe5 Txc2+ 42.Txc2 Txb5 43.Tc7+ Ke8 44.Ld4 hätte Schwarz noch technische Hürden zu überwinden.

36...Sg5 37.Td6 e4! 38.Lxf6 Kxf6 Carlsen ist bereit, jede Figur zu tauschen. Dann wird die Schwäche des e1-Springers immer deutlicher!

39.Kf1 Ta1 40.Ke2 Tb1 41.Td1 Txb4 42.Sg2 Txb5 43.Sf4 Endlich an die frische Luft! Inzwischen sind aber zwei Bauern weg.

43...Tc5 Carlsen realisiert den materiellen Vorteil problemlos.

44.Tb2 b5 45.Kf1 Tac7 46.Tbb1 Tb7 47.Tb4 Tc4 48.Tb2 b4 49.Tdb1 Sf3 50.Kg2 Td7! 51.h3 51.Txb4? Txb4 52.Txb4 Td1 und matt.

51...e5 52.Se2 Der arme Springer war sehr kurz in Freiheit!

52...Td2 53.hxg4 fxg4 54.Txd2 Sxd2 55.Tb2 Sf3 56.Kf1 b3 57.Kg2 Tc2 So chancenlos und noch dazu mit Weiß habe ich Kramnik seit langem nicht erlebt! 0-1

GM Ilia Balinov / Heinz Herzog

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